1. Hohes Wachstum des Güterumschlags in den Häfen
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1. Hohes Wachstum des Güterumschlags in den Häfen
Die durch das BMVBS in Auftrag gegebene Prognose der deutschlandweiten Verkehrsverflechtungen 2025[1] geht von einem Anstieg der Güterverkehrsleistung zwischen 2004 bis 2025 um rd. 70% aus. Dabei wird der Straßengüterfernverkehr mit über 80% noch deutlicher wachsen als die anderen Verkehrsträger. Aufgrund der Umschlagsentwicklung wird der Hinterlandverkehr der deutschen Seehäfen im Containerverkehr bis 2025 um durchschnittlich rd. 6% und im Nichtcontainerverkehr um 3% jährlich steigen.
Das prognostizierte Güterverkehrswachstum bedeutet eine enorme Herausforderung für die Verkehrsinfrastruktur und die Verkehrsplanung des Bundes. Die Hauptlast des wachsenden Güterverkehrs wird auf die Straßen zukommen. Hier wird zum Teil mit einer Verdopplung der Anzahl der LKW gerechnet. Ebenso stoßen einige Bahnstrecken bereits heute an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Um die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland nicht durch Engpässe im Verkehrssystem zu beeinträchtigen, muss die Verkehrsplanung dem zukünftigen Güterverkehrswachstum Rechnung tragen. Das gesamte Verkehrssystem muss effizienter und unnötige Verkehre müssen vermieden werden. Angesichts beschränkter finanzieller Mittel müssen die dringend benötigten Verkehrsinvestitionen dahin gelenkt werden, wo sie den größten volkswirtschaftlichen Nutzen versprechen.
In den deutschen Seehäfen wird bis 2025 mit einer Verdopplung des Güterumschlags und einer Verdreifachung des Containerumschlags zu rechnen sein.[2] Allein von 2001 bis 2007 haben sich die Zahl der Container und der Containerumschlag fast verdoppelt. Am stärksten wird das Umschlagsaufkommen in den beiden deutschen Seehäfen Hamburg und Bremerhaven zunehmen. In den deutschen Ostseehäfen, insbesondere in Lübeck und Rostock, werden hohe Wachstumsraten vor allem im RoRo- und Fährverkehr erwartet. Besonders für strukturschwache Regionen bietet das Umschlagswachstum in den Häfen die Chance zur weiteren industriellen Entwicklung durch Ansiedlung hafenaffiner Industrien und Schaffung neuer Arbeitsplätze in den Häfen.
Vereinfacht können die Hauptladungsarten der großen deutschen Seehäfen wie folgt dargestellt werden: Hamburg und die Bremischen Häfen werden immer stärker vom Containerumschlag dominiert. Wilhelmshaven ist der mit Abstand größte Ölhafen und schlägt vor allem flüssiges Massengut um. Mit der Fertigstellung des JadeWeserPorts in Wilhelmshaven wird der Anteil der Container erheblich zunehmen. Die Ostseehäfen fertigen überwiegend RoRo- und Fährverkehre ab. Außerdem schlagen sie Stück- sowie Massengut für Erzeuger und Verbraucher in der Region um. Neben dem Güterumschlag spielt in einigen deutschen Seehäfen der Passagierverkehr eine bedeutende Rolle, wobei hier die über internationale Fährverbindungen verfügenden Ostseehäfen Wachstumsraten aufweisen, während der auf nationale Passagierschiffs-verbindungen (Nordseeinseln) ausgerichtete Nordseeverkehr etwas rückgängig ist.[3]
Das außerordentliche Wachstum des Seegüterumschlags ist vor allem auf die starke Außenhandelstätigkeit Deutschlands, die Transitfunktion der deutschen Seehäfen für Osteuropa und das Zusammenwachsen des europäischen Wirtschaftsraumes durch die Beitritte Finnlands, Schwedens (1995) und der baltischen Staaten (2004) zur Europäischen Union zurückzuführen.[4] Darüber hinaus weisen insbesondere die so genannten BRIC-Staaten (Brasilien, Russische Föderation, Indien und China) hohe Zuwachsraten im Seeverkehr von und nach Deutschland auf. Für die Exportnation Deutschland ergibt sich aus der positiven wirtschaftlichen Perspektive der BRIC- und anderer Staaten die Möglichkeit zur Erschließung großer Absatzmärkte. Zugleich stehen die Häfen jedoch vor erheblichen kapazitiven Herausforderungen, die sich aus dem zunehmenden Güterumschlag mit diesen Regionen und der wachsenden Bedeutung Deutschlands als Transitland ergeben.
Die deutschen Seehäfen haben durch frühzeitige Investitionen in moderne Suprastrukturen[5] ihre Chance gewahrt, den Anforderungen der Industrie, z.B. hinsichtlich des starken Umschlagswachstums, der Änderungen in den Ladungsarten (Container, RoRo-Verkehre) oder bezüglich der Projektladungen gerecht zu werden. Dieser Vorsprung gegenüber den Konkurrenzhäfen muss erhalten bleiben, wenn Deutschland auch künftig in der ersten Liga der Wirtschaftsstandorte mitspielen und im internationalen Wettbewerb bestehen möchte.
Für die Binnenschifffahrt ergibt sich bis 2025 gegenüber 2004 ein Zuwachs der Güterverkehrsleistung von rd. 26%.[6] Etwa 80% des gesamten Binnenschifffahrtsaufkommens findet auf dem Rhein statt. Bezogen auf die Ladungsarten dominiert in der Binnenschifffahrt das feste Massengut. Zwei Drittel aller auf den deutschen Binnenschifffahrtsstraßen beförderten Güter fallen in diese Kategorie, gefolgt von flüssigem Massengut und festem Stückgut. Lediglich 5,9% der gesamten Ladung bestand 2007 aus Containern, allerdings mit starken Wachstumsraten in den vergangenen Jahren.
Die Binnenschifffahrt hat bislang nur begrenzt am Güterverkehrswachstum partizipiert. Während die gesamte binnenländische Güterverkehrsleistung im Zeitraum 1999 bis 2006 um 27,4% auf 592,7 Mrd. tkm gestiegen ist, hat sich der Anteil der Binnenschifffahrt am Modal Split von 13,5% auf 10,8% vermindert. In absoluten Werten hat sich die Güterbeförderungsleistung von 62,7 Mrd. auf 64 Mrd. tkm erhöht. Nach den bisher vorliegenden Prognosezahlen wird die Binnenschifffahrt auch künftig nur unterproportional am Verkehrswachstum teilhaben.
Dass die Binnenschifffahrt ihr vorhandenes Potenzial bisher noch nicht voll entfalten konnte, ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass auf einigen Relationen ein wirtschaftlicher Gütertransport, insbesondere die zwei- bzw. dreilagige Containerbinnenschifffahrt, aufgrund unzureichend ausgebauter Infrastruktur bisher nur bedingt möglich ist. Beispiele hierfür sind der Elbe-Seitenkanal und das westdeutsche Kanalnetz. Ein weiteres Problem ist das hohe Alter der Schiffe – in der Trockengutschifffahrt liegt das Durchschnittsalter der Schiffe bei 56 Jahren – und die geringe Eigenkapitaldecke der Unternehmen, die oftmals die hohen Investitionen für Modernisierungen oder Neubauten nicht schultern können. Außerdem werden insbesondere von Binnenschifffahrtsunternehmen bürokratische Hemmnisse angeführt[7].
Eine hochwertige Logistik erfordert die reibungslose Verknüpfung der Verkehrsträger Binnenschifffahrt, Schiene und Straße zu integrierten Transportketten, in die effiziente Lager- und Distributionszentren eingebunden sind. Das Zusammenwirken verschiedener Verkehrsträger und logistischer Standorte ist eine zentrale Herausforderung für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands. Die Schnittstellenfunktion der Binnenhäfen als Bindeglied der drei Verkehrsträger Binnenschifffahrt, Schiene und Straße schafft hierfür ausgezeichnete Möglichkeiten. Die Nutzung dieses Vorteils kann die Effizienz des gesamten Verkehrssystems verbessern. Sie kann zugleich dazu führen, dass die Verkehrsträger Schiene und Wasserstraße in die Lage versetzt werden, einen hohen Anteil an den Verkehrsleistungen zu übernehmen und zu einer Reduzierung der Verkehrsbelastung auf den Straßen beitragen. Dies kann auch die Effizienz des Straßengüterverkehrs verbessern helfen.
Mit rd. 7.300 km Binnenwasserstraßen in Deutschland und der europaweit größten Anzahl an privaten und öffentlichen Binnenhäfen verfügt die Binnenschifffahrt noch über erhebliche Kapazitätsreserven, die zukünftig stärker genutzt werden müssen, um das Umschlagswachstum in den Seehäfen bewältigen zu können. Die Binnenschifffahrt kann z.B. auf höchstem Sicherheitsniveau große Teile der Gefahrguttransporte abwickeln, steigende Anteile des Kombinierten Verkehrs übernehmen, ihre Rolle im Massengutverkehr festigen und größere Anteile in konventionellen Märkten gewinnen.
In den Vordergrund rücken auch zunehmend die Hinterlandanbindungen der Seehäfen über das Netz der Binnenwasserstraßen. Insbesondere in einer Steigerung des Anteils des Containertransports auf Binnenschiffen sieht die Bundesregierung ein bedeutsames Potenzial zur Entlastung der Verkehrsträger Straße und Schiene. Chancen der Binnenhäfen bestehen daher darin, mehr Seehafenaufgaben, wie z.B. die Lagerung und Verteilung von Containern, zu übernehmen und ihren Anteil am Containerumschlag zu steigern.
Die Übernahme von zusätzlichen Aufgaben als Güterverteilzentren von überregionaler Bedeutung und Seehafenfunktionen wie z. B. Sortierung, Lagerung und Reparatur von Containern durch die Binnenhäfen erfordert eine stärkere Vernetzung untereinander und mit den Seehäfen. In Anlage A zu diesem Hafenkonzept werden Binnenhafencluster identifiziert, die überregionale Bedeutung für die Wirtschaft haben und zunehmende Güterverkehre bewältigen können. Die Cluster werden definiert durch die Rolle der beteiligten Häfen als Hubs, ihre Vernetzung mit anderen Häfen und Güterverteilzentren, ihre Lage innerhalb besonderer industrieller Kernregionen und/oder ihrer geografischen Position an zentralen Schifffahrtslinien.
Die "Grenzen" solcher Cluster sind durchlässig. Es können auch Häfen, die außerhalb solcher Cluster liegen, wichtige regionale Funktionen für einzelne Industriestandorte haben und mit den Clustern vernetzt sein. Außerdem können sich verschiedene Cluster überlagern. Die Leistungsfähigkeit der Cluster wird durch eine starke Vernetzung der Häfen untereinander erhöht, weil sie gemeinsam über ein breiteres logistisches Angebot verfügen und Ressourcen gebündelt und die Einzugsgebiete vergrößert werden. Die Zuordnung zu einem Cluster bietet Anhaltspunkte für die Bedeutung der Häfen, ist jedoch kein bindendes Kriterium für Verkehrsinfrastruktur-investitionen des Bundes. Diese richten sich nach der gesamtwirtschaftlichen Bewertungsmethodik der Bundesverkehrswegeplanung, die auch Umweltaspekte einbezieht.
Trimodale Verlademöglichkeiten sind zwingendes Anforderungsmerkmal der verladenden Wirtschaft bei der Entwicklung multimodaler Ketten. Binnenhäfen als Standorte mit Wasserstraßen- und Gleisanschluss sind Kernelemente einer zukunftsorientierten Raumordnungspolitik, da keine neuen Flächen auf der grünen Wiese erschlossen werden müssen. Sie dienen der funktionsfähigen Gestaltung des Seehafenhinterlandes, sind Puffer für internationale Warensendungen und ermöglichen die kostengünstige Verteilung der Güter im Hinterland.
Nach Auffassung der Bundesregierung besteht eine Herausforderung für die Binnenhäfen darin, zukünftig eine Doppelrolle zu übernehmen. Einerseits werden sie sich zu zentralen trimodalen Schnittstellen in Logistiknetzwerken insbesondere mit Blick auf europäische Ost-West-Verkehre entwickeln. Andererseits nehmen sie eine zunehmende Funktion als Hinterland-Hubs und Güterverteilzentren für die deutschen Seehäfen und die ARA-Häfen (Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen) wahr.
Die Politik der Bundesregierung wird unter anderem darauf ausgerichtet sein, die Entwicklung von Binnenhäfen als trimodale Knotenpunkte und zentrale Hubs im Hinterland der Seehäfen zu unterstützen.
Herausforderungen und Chancen durch hohes Wachstum des Güterumschlags in den Häfen
Herausforderungen
- Starke Belastung der Verkehrsinfrastrukturen durch Güterverkehrswachstum.
- Ansteigender Güterumschlag mit Wachstumsregionen, zunehmende Transitfunktionen.
- Übernahme zusätzlicher Funktionen durch die Binnenhäfen.
Chancen
- Umschlagswachstum fördert industrielle Entwicklung und Schaffung neuer Arbeitsplätze.
- Erschließung weiterer Absatzmärkte für deutsche Industrieunternehmen.
- Übernahme von Seehafenaufgaben durch die Binnenhäfen und Steigerung des Containerumschlags.
- Leistungssteigerung durch Vernetzung.
Fussnoten
- Quelle: http://www.bmvbs.de
- ↑ Planco (Verflechtungsprognose) 2007
- ↑ Planco (Seeverkehrsprognose) 2007
- ↑ PWC 2007
- ↑ PWC 2007
- ↑ Suprastruktur bezeichnet - als Gegenbegriff zu Infrastruktur - Oberbauten wie z. B. Flächenbefestigungen, jegliche Arten von Gebäuden (Lagerhallen, Büro- und Wohngebäude etc.) sowie alle Arten von befestigtem oder halb-beweglichen Gerät (Kräne, Rampen etc.).
- ↑ Planco (Verflechtungsprognose) 2007
- ↑ NEA: Final Report for the „Study on Administrative and Regulatory Barriers in the field of Inland Waterway Transport; European Community, 2008
II. Herausforderungen und Chancen | Inhaltsverzeichnis | 2. Potenziale der europäischen Häfen